Viel Spaß mit dem Soundtrack von ESO: Morrowind und einem Interview mit dem Komponisten

    • Offizieller Beitrag

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    Der Soundtrack zu „The Elder Scrolls Online: Morrowind“ ist jetzt digital verfügbar. Hört euch weiter unten den kompletten Soundtrack an und lest das Interview mit dem Komponisten und Audio Lead, Brad Derrick.


    ( Klickt hier, um den Spotify-Webplayer zu öffnen)


    Der gesamte Soundtrack von ESO: Morrowind ist jetzt auf Spotify, iTunes, Google und Amazon verfügbar!


    Brad Derrick ist Studio Audio Lead und Komponist des Soundtracks von ESO: Morrowind. Zur Feier der Veröffentlichung des Soundtracks haben wir ihm ein paar Fragen über den Ablauf und die Herausforderungen gestellt, die mit dem Kreieren der Musik für ein „Elder Scrolls“-Spiel verbunden sind.


    Hinter der Elder Scrolls-Serie (und ganz besonders The Elder Scrolls III: Morrowind) stecken jede Menge Geschichten. Wie gehst du an die Sache heran, wenn du etwas Neues und Frisches erschaffen, gleichzeitig aber den Elementen der Serie, die Kultstatus erlangt haben, treu bleiben möchtest?

    Diese Herausforderung bei ESO: Morrowind zu meistern, war im Grunde noch ein Quäntchen kniffliger als sie es mit dem Spiel als Ganzem ohnehin ist. Bei The Elder Scrolls Online muss die Musik eine Brücke zwischen Bekanntem und Neuem bauen, indem sie sowohl die Erwartungen der Spieler befriedigt als auch einzigartig bleibt. Dies bedeutet, dass man dafür sorgen muss, dass sich die Musik „Elder Scrolls“-ig genug anhört, um aus demselben Universum zu stammen wie die anderen Spiele; gleichzeitig soll sie aber gerade so anders sein, dass man sie klar als ESO-Musik identifiziert, die in die Zeit und die Landschaft unseres Spiels passt.

    Herauszufinden, was bei der Musik der anderen „Elder Scrolls“-Spiele funktioniert hat, wurde zu einer Übung im Reverse Engineering. Einiges liegt auf der Hand – grob die Aspekte wie Instrumentation (großes Orchester, Livechor, dröhnendes Schlagzeug usw.) und Stil (spätes 19./frühes 20. Jahrhundert) ausmachen, um diese dann als musikalischen Rahmen für zukünftige Kompositionen zu nutzen. Manches kann man aber nicht ganz so einfach benennen und ist deshalb auch schwieriger zu reproduzieren: die wundervollen Melodien im Spiel, die so stark im Gedächtnis bleiben, beispielsweise. Es ist das Eine zu sagen, „Die neue ‚Elder Scrolls'-Musik soll wundervolle Melodien haben, die im Gedächtnis bleiben“. Etwas ganz Anderes ist, diesen Anspruch auch umzusetzen. Zu diesem Zweck habe ich immer ein Musikskizzenbuch bei mir, in das ich Ideen immer gleich hinein kritzele, sobald sie mir durch den Kopf gehen. Melodien und Themen, Phrasen und Fragmente oder auch nur harmonische Abfolgen werden allesamt in ihrer rudimentärsten Form niedergeschrieben und für später gesammelt.

    Wenn es also Zeit wird, neue Musik zu schreiben, liegt mein kreativer Raum daher an der Schnittstelle von drei Dingen: der musikalische Rahmen, der die ‚Elder Scrolls'-Musik ausmacht; die Anforderungen des Spiels, um das es gerade geht, und meine Sammlung halbfertiger Ideen. Der erste Punkt sorgt dafür, dass die Musik der Serie treu bleibt; der zweite Punkt gewährleistet, dass sie unserem Spiel treu bleibt, und der dritte Punkt schafft – sofern ich meinen Job gut mache – beides.

    Natürlich besteht der direkte Weg, beiden Punkten gerecht zu werden, darin, thematisches Material der anderen Spiele der Serie zu zitieren und neu zu interpretieren. Das habe ich in der Vergangenheit schon bei mehreren Stücken getan: hier und da Melodien einfließen lassen und sie überarbeiten, wodurch die Spieler etwas haben, was sie aufhorchen lässt, während sie Ländereien bereisen, die sie bereits aus anderen ‚Elder Scrolls'-Spielen kennen. Da bei der Veröffentlichung von ESO: Morrowind aber so viel Nostalgie mitschwingt, wollte ich noch mehr tun, sogar so weit gehen, die Titelmusik des Spiels durch etwas zu ersetzen, das uns noch einmal in das Originalthema von TES III: Morrowind hineinhorchen lässt.


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    Worin bestanden grob gesagt die Hauptschritte in der Planung und Komposition der Musik für „ESO: Morrowind“?

    Fast die gesamte Musik in ESO wird live eingespielt. Da bildet die Musik von ESO: Morrowind keine Ausnahme. Wie bei unseren anderen Soundtracks hatten wir von Anfang bis Ende rund sechs Monate Zeit. Zunächst fühlt sich das immer nach jede Menge Zeit an, doch in Anbetracht des komplexen Produktionsablaufs – ganz zu schweigen von den sonstigen Pflichten meines „echten“ Berufs als Audio Lead – wird es zum Ende hin zwangsläufig ziemlich hektisch.

    Wenn man eine Zeitschiene für die Produktion erstellt, fängt man deshalb immer hinten an und arbeitet sich zum Anfang zurück. Sobald ich das Datum, an dem der endgültige Soundtrack in das Spiel integriert werden muss, kenne, kann ich festlegen, was getan werden muss und wann – und auch, was parallel erledigt werden kann und was nicht.

    Hier habt ihr mal den groben Plan, wie die Musik von ESO: Morrowind von der Idee in die Realität umgesetzt wurde:

    1. Man erzählt mir, dass wir ein ESO-Kapitel mit neuer Titelmusik machen wollen.
    2. Ich komponiere 6-8 Wochen vor mich hin. Ich hole das Ideenbuch hervor und schaue, ob ich darin ein paar Rohdiamanten finde, und überlege, welche Morrowind-Themen ich zitieren möchte.
    3. Ich nehme Kontakt mit unseren Musik-Auftragnehmern auf, um Orchester, Chor und Solisten zu buchen.
    4. Ich schließe die Komposition ab.
    5. Ich schicke unseren Musik-Auftragnehmern meine Orchestrierung, vorläufige Mixes mit unechten (also keinen Live-)Instrumenten, Notizen und alles Mögliche, damit sie sich auf die Live-Aufnahmen vorbereiten können. Ich buche die Halle, die Musiker, Techniker, drucke die Orchestrierung aus und organisiere noch alles Mögliche andere.
    6. Ich schreibe die Bardenlieder, während die Auftragnehmer die obigen Aufgaben erledigen – 2 Wochen.
    7. Live-Aufnahmen mit Orchester und Chor – 1 Woche in Budapest.
    8. Aufnahmen mit Live-Solisten (Violine, Cello, Laute für die Bardenlieder usw.) – 1 Woche in Budapest.
    9. Ich fange an, die Aufnahmen von Live-Orchester und -Chor mit anderen Produktionselementen (Schlagzeug, Synthesizer, Harfe, Sounddesign usw.) zu mischen. – 4 Wochen.
    10. Ich lasse die Bardenlieder von echten Sängern in LA einsingen – 1 Woche. Zu guter Letzt – und zu unser aller Glück – wird mein vorläufiger Gesang ersetzt.
    11. Abschließendes Zusammenmischen in LA – 1 Woche. An diesem Punkt finde ich endlich heraus, ob das Ganze überhaupt gut klingt.
    12. Letzter Schliff – ein paar Tage.
    13. Endgültige Integration des gesamten Soundtracks mit Bardenliedern in die Spielengine – 1 Woche
    14. Abschließender Test im Spiel – 1 Woche.


    Als du die Musik für The Elder Scrolls Online komponiert hast, musstest du Stücke für viele verschiedene Spieleraktivitäten zustande bringen; ob jetzt gerade erkundet wird, Quests durchgespielt werden oder gekämpft wird. Wie gehst du an die verschiedenen Erlebnisse innerhalb des Spiels heran, wenn du einen ganzen Soundtrack auf die Beine stellen willst?

    Ich glaube, hier liegt die Antwort in der Integration, nicht in der Komposition. Die Musik speziell für solche Aktivitäten ist der einfache (na gut, der einfachere) Teil des Ganzen. Schwieriger wird es, wenn du diese in eine Art und Weise überführen willst, die sich bedeutsam, befriedigend anfühlt, sich einfügt und den Spieler nicht plötzlich aus dem Spielerlebnis herausreißt. Da haben wir viel Arbeit investiert und auch wenn ich nicht behaupten werde, dass wir das immer 100 % geschafft haben, glaube ich, dass wir ganz gute Arbeit geleistet haben.

    Es ist wirklich eine Schande, wenn gute Musik unter schlechter Integration leidet. Es gibt bei Spiel-Audio wenig, was mich so frustriert wie abruptes Abbrechen oder zu viele Überblendungen beim Übergang zwischen Stücken. Das fühlt sich faul an und reißt mich aus dem Moment heraus. Ein Vergleich mit linearen Medien wie Film und Fernsehen ist vielleicht etwas ungerecht, aber ich bringe ihn trotzdem: Wenn der Hauptdarsteller eines Films in eine Höhle geht, einen Fiesewicht tötet oder etwas ähnlich Dramatisches tut, hebt die Filmmusik solche Momente hervor und bewegt sich fließend zwischen ihnen. Die Musik für die Szene in der Höhle hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Die Musik für die Kampfszene wird nicht überblendet … die endet. Zack.

    Das war das Ziel des Musiksystems bei ESO – die musikalische Untermalung dessen, was der Spieler tut, so passend und nahtlos wie möglich hinzubekommen. Atmosphärische Untermalung wird dem entsprechen, wo sich der Spieler befindet, und was der Spieler tut. Und wenn sich das ändert, fühlt sich die Änderung in der Musik natürlich an, wird vielleicht sogar nicht einmal bemerkt. Wenn der Spieler kämpft, steigt die Intensität der Musik an oder wird schwächer, je nach Anzahl der Feinde oder ob ein Anführer beteiligt ist, und wenn der Kampf vorbei ist, wird auch die Musik abgeschlossen und läuft nicht einfach aus.

    Wie die meisten Sachen in einem MMO wird immer weiter gefeilt, es wird immer wieder nochmal durchdacht (ich sitze zu Hause und spiele vor mich hin) und verbessert (ich gehe unserem fantastischen Audioprogrammierer David Jorgenson auf die Nerven). Aber es ist ein stabiles System und wirklich eine Freude, neue Musikstücke zu kreieren, in diese Maschine einzupflegen und zu hören, wie alles im Spiel selbst zusammenkommt.


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    Gab es ein bestimmtes Stück, das für dich beim Komponieren eine besondere Herausforderung darstellte? Weshalb?

    Ja. Die Titelmusik. Weshalb? Weil es die Titelmusik ist.

    Die Titelmusik eines Spiels ist das wohl wichtigste Stück eines jeden Soundtracks. Das ist die musikalische Identität des Spiels, damit wird die Marke verbunden, sie wird im Marketing eingesetzt; die Spieler hören sie jedes Mal, wenn sie sich ins Spiel einloggen (ausgenommen die Spieler, die die Musik ausschalten … ihr Monster!). Dazu kommt noch, dass ich das klassische Thema von TES III: Morrowind aktualisiert habe, das im Original von Jeremy Soule stammt und bereits in Oblivion, Skyrim und die vergangenen drei Jahre bei ESO vorkam. Im Grunde … gar kein Druck, nech?

    So und als dann die Richtung für das neue Thema feststand – eine gesungene Version der klassischen Musik mit echten Texten in einer uralten dunkelelfischen Sprache –, fügte sich alles irgendwie. Gleich vorweg habe ich einige Zeit darauf verwendet, den Gesangsteil zu schreiben, wodurch ich vierteilige Chorarrangements dieser Melodie hatte, bis ich auf einige Sachen kam, die ich für gute Höhepunkte des Stücks hielt. Dann ging es darum, den Raum dazwischen zu füllen – Solovioline hier, eine bombastische Reprise da – und bevor ich mich versah, hatte ich eine vierminütige Erkundung des Themas zusammen, die die Ziele (siehe oben) erfüllte, indem sie eine Brücke zwischen Bekanntem und Neuem schuf.

    In diesem Vier-Minuten-Musikstück passiert ganz viel. Es entfaltet sich in verschiedene Richtungen, erkundet viele verschiedene Orte, doch sie wurzeln alle im selben musikalischen Grundmaterial – dieses einfache, zeitlose 15 Jahre alte Thema.


    Wie bist du ursprünglich zum Komponieren von Spielmusik gekommen?

    Vor etwa 1.000 Jahren (in Entwicklerzeit gerechnet), also 1995, habe ich meinen Master in elektronischer Komposition gemacht. Da schickte mir ein Freund eine sogenannte „E-Mail“ über dieses „Internet“ (ehrlich, zu der Zeit waren das Dinge, die ich nicht wirklich auf dem Schirm hatte), in der er fragte, ob ich Klangeffekte bei einer Spielfirma namens Kesmai machen wolle. Ehrlich gesagt erhielt ich seine E-Mail gar nicht, denn – wie gesagt, es war 1995 und ich totaler Net-Newb – ich glaube, ich wusste gar nicht, wie ich meine E-Mails abrufe, doch ich lief ihm eines Abends über den Weg und er meinte so „Hey, hast du meine E-Mail bekommen? Willst du Klangeffekte für Videospiele machen?“, worauf ich dann so zusammenstammelte „Oh, ähm, okay, klar, denke schon.“ Ich war im Grunde so kurz davor, dass das alles gar nicht passiert wäre.

    Und so kam es, dass ich sechs Jahre für die MMO-Pioniere Kesmai arbeitete, in denen ich vom Teilzeit-Sounddesigner über den Vollzeit-Sounddesigner zum Audio-Typen,-der-alles-macht,-weil-außer-ihm-keiner-weiter-da-ist wurde. Letztlich machte ich etwas aus meinem Master in elektronischer Komposition, weil sonst niemand weiter da war, der Musik schrieb. Danach war ich acht Jahre bei Mythic Entertainment, wo ich an Dark Age of Camelot und Warhammer Online arbeite, und nun bin ich seit acht Jahren bei Zenimax Online Studios.

    Tja, und ich kann immer noch das machen, was ich am liebsten tue: Musik und Spiele machen!



    Quelle

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    "Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden."
    (Sokrates)


    „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandeln.”
    (Mahatma Gandhi)